WeWork steht nicht für die Coworking-Bewegung, die wir als Bundesverband vertreten

Die folgende Unterscheidung ist wichtig. Co-Working mit einem Bindestrich geschrieben bedeutet, zusammen zu arbeiten. Also das zur Verfügung stellen von gemeinsam genutzter Infrastruktur. Die Menschen arbeiten an vielen vermeintlichen Co-Working-Orten zwar an derselben Stelle und nutzen dieselbe Infrastruktur, arbeiten aber nicht zusammen an gemeinsamen Projekten oder gemeinsamen Zielen im kollaborativen Sinne. Daher ist das, was WeWork in den letzten Jahren aufgebaut hat, aus unserer Sicht ein Immobilien-Thema. Es wird eine Büroinfrastruktur zur Verfügung gestellt, die von Menschen genutzt wird. Nicht mehr und nicht weniger.

Das Coworking, welches wir im Bundesverband Coworking (German Coworking Federation e.V.) vertreten, ist eine soziale Bewegung. Uns geht es darum, Menschen unterschiedlicher Hintergründe miteinander in Begegnung und Zusammenarbeit zu bringen, um die großen Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam zu bewältigen. Dabei sind die Räume ein Werkzeug, um Menschen gemeinsam an einem Ort arbeiten zu lassen und so Begegnung zu ermöglichen. Wir schreiben uns daher auch ohne Bindestrich, da es im Kern um echte Zusammenarbeit geht. Das macht das Besondere dieser Arbeitsform aus, die durch ein Manifest und die dazugehörigen Prinzipien beschrieben ist.

Coworking per se ist kein geschützter Begriff. Daher haben wir, als Coworking groß wurde, und hier meinen wir das Coworking, das die Gemeinschaft als zentralen Bestandteil hat, beobachtet, dass zunehmend Immobilienfirmen dieses Thema für sich entdeckt haben. Nun haben sie versucht, einige der Ideen auf ihr Arbeitsfeld zu übertragen. Es wurden dann auch große Investments getätigt, in der Hoffnung, dass sich dies rechnen würde. Dies hat zu einem großen Wachstum einiger Anbieter – u.a. WeWork – geführt, die aber ihr Versprechen nicht einlösen konnten, da der Aufbau einer echten Community einiges an Zeit und Know-How in Anspruch nimmt. Das Konzept der schick ausgestatteten Räume haben schnell viele andere übernommen, aber letztendlich sind sie für die Nutzer*innen austauschbar. Diese Beliebigkeit wirkt gegen die Mitgliederbindung.

Community vor Profit 

Bei einem echten Coworking Space ist das so nicht der Fall. Die Menschen werden zum einen Teil der Community und bleiben wegen ihr Mitglied ihres Coworking Spaces. Außerdem haben diese Spaces meist keine Gewinnmaximierung als Ziel und sind dementsprechend für Investor*innen nie interessant gewesen. Echtes Coworking ist kein Businessmodell, mit dem sich eine Menge Geld verdienen lässt. Das war uns in der Coworking-Szene schon lange klar. Daher braucht es ein gutes Konzept, um einen Coworking Space erfolgreich am Markt zu etablieren. Dass das aber durchaus möglich ist, zeigt die just herausgegebene Studie von Deskmag zu Profitabilität nach der Pandemie, die natürlich auch Coworking Spaces massiv beeinflusst hat. Hier kann gut abgelesen werden, dass nicht alle Spaces profitabel sind, es aber auch gar nicht anstreben.

Post-Corona-Fantasie-Szenarien zu massiv wachsender Auslastungen sind mit Vorsicht zu genießen

Dem viel beschworenen Trend zu mehr Auslastung in Coworking Spaces durch die Möglichkeit mobiler Arbeit erteilen wir eine klare Absage. Das Home Office bleibt beliebt und der Run auf die Coworking Spaces blieb bislang aus. Was wir im Coworking kennen, ist vor allem, dass Selbstständige und Freelancer unsere Spaces aufsuchen. Also Menschen, die sich die Art ihrer Arbeit und den Ort ihrer Arbeit aussuchen können. Diese könnten also genauso gut an ihrem Küchentisch sitzen bleiben. Wir betonen oft, dass der größte Wettbewerber eines Coworking Spaces nicht ein anderer Space, sondern der Küchentisch der Member ist. Diese Menschen ziehen den Mehrwert der Arbeit im Coworking Space aus der Struktur, den die Arbeit im Coworking Space mit sich bringt und der Begegnung mit Gleichgesinnten. Nicht selten entstehen so neue Partnerschaften oder auch Geschäftsideen. 

Ins Homeoffice sind vor allem Angestellte gewechselt. Diese suchen eher selten den Kontakt zu anderen Angestellten während eines Arbeitstages, da sie in die Abläufe ihrer eigenen Organisation stark eingebunden sind und ihr Netzwerk vor allem in ihren eigenen Organisationen bilden. 

Viele hatten gehofft, dass sich ähnlich wie bei den Freelancern nach einer Weile eine Home-Office-Müdigkeit einstellt und die Leute dann in den Coworking Space wechseln würden. Allerdings haben die meisten davon einen großen Coworking Space und dieser heißt für viele eben noch Büro. Daher sind weitaus weniger Angestellte vom Homeoffice in den Coworking-Space gewechselt als von manchen erhofft. So geben derzeit auch 48% aller Betreiber*innen an, neue Mitglieder zu finden, sei die größte Herausforderung (Deskmag, 2023).

Quo vadis Coworking? 

Das Marketing-Buzzwort “Coworking” als Scheinlösung für jeden innerstädtischen, ländlichen oder peripheren Leerstand muss hinterfragt werden. Nicht überall funktioniert das gewinnorientierte Konzept (“Co-Working”) oder gar das gemeinschaftsorientierte Coworking und das ist auch gut so. Wie bereits erwähnt, ist Coworking aus unserer Sicht eine soziale Bewegung. Wir nutzen die Räume als Werkzeug, um die richtigen Menschen miteinander in Kontakt zu bringen. Gerade in Ballungsräumen ist daher oft das Finden einer bezahlbaren Immobilie eine Hürde, denn die Arbeitsplätze können nicht unendlich teuer angeboten werden. Dann würden die Nutzer*innen wegbleiben, die wiederum ein wichtiger Teil der Coworking-Gemeinschaft sind, was ja den Mehrwert ausmacht. Auch der Aufbau einer Community braucht Zeit, die finanziell bewältigt werden muss. Grob braucht es zwei Jahre, bis eine gute Coworking-Gemeinschaft aufgebaut ist.

Coworking endlich als neue Arbeitskultur denken

Das Verständnis für diese Arbeitsform, die gleichsam ein Ausdruck einer neuen Arbeitskultur ist, steckt noch in den Kinderschuhen. Da gibt es einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten, damit mehr Menschen so arbeiten und auch Coworking Spaces nutzen können. Diese kostet die Betreiber*innen viel Zeit und Mühe, die erst einmal aufgebracht werden muss. Daher ist es nicht immer ganz leicht, die richtigen Partner*innen an Bord zu bekommen, die es braucht, damit ein rundes und nachhaltig tragbares Konzept entsteht.

Neben den hohen Energie- und Mietkosten und dem beschriebenen zentralen Stellenwert der Gemeinschaft, sehen wir weitere Herausforderungen: Zu viele bestehende Spaces sind derzeit nicht ausgelastet, wollten vielleicht zu rasch wachsen oder haben Probleme, Personal zu finden. Um z.B. als Community Manager zu arbeiten, braucht es besondere Kompetenzen. Daher ist es uns wichtig Space-Betreiber*innen zu vernetzen, zum Austausch auf Augenhöhe anzuregen und sie im Rahmen unseres Akademie-Angebots weiterzubilden. Seit 2015 widmen wir uns im Bundesverband Coworking diesem Ziel und freuen uns über jede Person, die uns dabei unterstützen möchte