Bei unserem Netzwerktreffen im Februar hatten wir uns mit dem Thema Rückkehrer:innen beschäftigt. Zwei davon sind Dörte und Tim Schabsky , die ihr erstes Work Inn 2013 gegründet haben. Seitdem sind es nunmehr neun Standorte im Ruhrgebiet geworden mit mehr als 600 Membern.
Im Work Inn gibt es keine Eventflächen, aber diverse Arbeitsmöglichkeiten von OpenSpace bis zu kleinen Büros, und Besprechungsräumen. Es werden auch Virtual offices angeboten, die besonders während der Pandemie vor allem finanziell hilfreich waren.
Dörte und Tim sagen von sich, dass sie aus der Coworking Bewegung kommen. Ihnen geht es nicht um das Vermieten von Schreibtischen, sondern um Gemeinschaft.
Zurück mit einer neuen Idee
2013 sind die beiden zurück gekommen aus London, wo sie Coworking kennenlernt haben. Um ihren ersten Space aufzubauen haben sie Bootstrapping gemacht, so zum Beispiel alles selber gemacht bei der Renovierung. Am Anfang waren auf jedem Netzwerk-Event und festgestellt, dass vieles davon ihrer Ansicht nach nicht zu gebrauchen war, für das was sie gesucht haben. Sie haben viele Gespräche geführt und auch über den damals noch weitgehend unbekannten Begriff Coworking. Auf die Frage, ob sie in den Gesprächen Coworking als Begriff nutzen oder einen eingedeutschten Begriff lachen die beiden: “Nennen wir es Coworking? Ja, irgendwann müssen sie es ja lernen.” sagen sie und grinsen dabei verschmitzt.
Insgesamt haben sie versucht risikolos zu starten. Der eigene Invest hat sich dadurch in Grenzen gehalten und sie empfehlen diesen Ansatz sehr. Geholfen hat sicher auch, dass sie den Vermieter kannten und ein gutes Verhältnis miteinander hatten. So hätten sie jederzeit aufhören können.
Wenn sie sich zurück erinnern, dann wollten sie eigentlich zuerst ihre Community aufbauen. Dann hat sie allerdings der Space überholt und war doch zuerst da. Und bereits ein Jahr später haben sie schon den nächsten Standort eröffnet.
Die Idee war immer ein Netzwerk aufzubauen. 2015 ging es dann weiter mit den Spaces und sie haben sich auf auf Dortmund fokussiert. 2016 folgte dann der erste größere Standort mit 436qm. Vorher sind es kleinere Spaces gewesen . Das war dann ein tolles Gefühl, dass die Leute Work Inn schon kannten und so klar wurde, dass die Arbeit der letzten Jahre schon einiges bewegt hatte.
Anfangs mussten wir Coworking erklären
2014 war das noch anders. Zu dem Zeitpunkt haben sie in Dortmund das Thema alleine getrieben. Ab dann merkten sie so langsam, dass die Dynamik in dem Thema entsteht und auch von anderen Akteur:innen voran getrieben wird. Dies war auch der Zeipunkt an dem sie das erste Mal längeren Mietvertrag unterschrieben haben und auch das erste Mal eine Innenarchitektin dabei war.
2017 entstand dann der nächste Space in Dortmund. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die beiden alles noch ohne Mitarbeiter:innen gemacht, als Paar. Geholfen hat dabei, dass sie viel auf Community und Vertrauen in die Menschen gesetzt haben. Daran ist schön zu sehen, dass es wichtig ist die richtigen Leute dazu holen und auch mal Nein zu sagen, wenn man kein gutes Gefühl hat.
Dann kam der Schritt über die Stadtgrenzen hinaus. Auf einmal hatten sie es mit einem skeptischen Vermieter zu tun. Da merkten sie, dass es doch für viele Menschen immer noch ein neues Konzept ist und wenn man dann noch einigermaßen jung ist, fragen sich viele Immobilienbesitzer, ob eine Vermietung eine gute Idee ist.
Für die nächsten Standorte sind Dörte und Tim dann in Hamm und Oberhausen fündig geworden. Der Eigentümer dort hatte zum Glück schon viel verstanden. Im Rückblick konnten die beiden feststellen, dass andere Städte noch nicht so weit wie Dortmund waren, was Community und Szene für Coworking betrifft. Also war klar, dass erneut viel Aufbauarbeit geleistet werden musste. Diese Standorte sind daher etwas schleppender angelaufen als gewünscht. Es war nochmal ein harter Brocken, den die beiden knacken mussten.
Es läuft gut und wir lernen interessante Dinge
2018 ist dann über einem der Standorte in der Zahnarztpraxis eine Wasserleitung geplatzt und alles ist in den Space gelaufen. Zu dem Zeitpunkt haben die beiden gemerkt wie wichtig Risikomanagement ist. Zum Glück konnten viele Leute in eine gerade neu hinzugekommene Etage in Dortmund umziehen. Das hat natürlich einiges an Kosten verursacht und ungefähr ein halbes Jahr gedauert.
In den Jahren 2018 und Anfang 2019 ist alles gut gelaufen. Die Nachfrage war da, auch wenn einzelne Standorte schwieriger waren. Direkt am Anfang der Gründung war auch klar, dass sie mit den Work Inns im ganzen Ruhrgebiet vertreten sein wollten. Zu der Zeit haben die beiden dann ihr erstes Kind bekommen.
Ende 2019 fanden die ersten Eröffnungen statt und 2020 fanden die letzten Eröffnungen statt. Ursprünglich wollten sie das übers Jahr verteilen, aber aufgrund von Bauverzögerungen kam es anders. Gerade hatten sie also die Kapazitäten verdoppelt, die sie hatten und ihr wisst ja alle was kam – die Pandemie.
Montags Expansion, freitags Pandemie-Management
Dies fühlte sich aus der Sicht von Dörte und Tim besonders merkwürdig an. Am Montag haben sie noch über Expansion nachgedacht, Mittwoch überlegt Desinfektionsmittel zu kaufen und am Freitag war Dörte dann Pandemiemanagerin. Also haben die beiden nicht wie ursprünglich geplant neuen Leute eingestellt. Denn sie waren in einer unguten Situation. Sie hatten zu Anfang zwar in den neuen Orten mietfreie Zeiten, haben dann aber schon im März angefangen zu rechnen. Was würde passieren wenn sie die Umsätze stabil halten? Dann wären sie in sechs Monaten pleite gewesen, denn zu dem Zeitpunkt hatten sie viel finanzielle Last. Da sie immer offen und ehrlich mit der Community kommuniziert haben, haben sie das auch in dem Fall getan. Sie haben ihren Coworker:innen fristlose Kündigung angeboten. Insgesamt haben daraufhin nur 3 Leute gekündigt und der Rest der Community ist treu geblieben. Sie haben angeboten Lösungen zu finden, falls Coworker:innen finanzielle Probleme haben. So haben sie insgesamt 2020 fast 100% Umsatzwachstum gehabt. “Wir mussten das ja auch hinbekommen, nur hätten wir das Anfang 2020 nie gedacht.” erinnert sich Tim zurück.
Mitte 2021 haben sie einen strategischen Investor an Bord geholt. Sie haben viel Potential gesehen, konnten das aber nicht alleine stemmen. Family Office war ein Familienbetrieb mit dem sie schonmal vor Jahren Kontakt hatten, weil der Junior als Kunde im Coworking Space gearbeitet hatte. Der hat seinem Vater begeistert davon erzählt. Dieser hat sich gemeldet und es fand ein nettes Gespräch statt. Als wir einen Investor gesucht haben, waren daher Familiy Office unter den ersten, die sie angerufen haben.
Aktuell sind Dörte und Tim dabei die Standorterweiterung für Essen, Duisburg, Bochum und vielleicht nochmal Dortmund zu planen. Dann sind die beiden mit dem Ruhrgebiet fertig und schauen mal, was sie dann machen.
Das Lernen hört nie auf
Welche Events haben funktioniert? Wir haben zu Beginn Unternehmer:innen kennengelernt, die auch mehr für Start-ups tun wollten. Daher haben wir die Fuck-up-Nights etabliert und haben dieses Thema selber mit aufgebaut.
Mit jedem Standort lernt man dazu, lernt immer mehr Fehler zu vermeiden. Lernt, dass man extrem viel kommunizieren muss. Du musst genau erklären was dort passieren soll, da das Verständnis von Coworking noch nicht immer vorausgesetzt werden kann. Natürlich haben die beiden ihre Checkliste im Laufe der Zeit entwickelt. Allerdings muss bei jedem neuen Standort viel daran gedacht werden, wie es im Alltag genutzt werden und es wird zwischen Design und praktischer Anwendung abgewogen.
Wie managet ihr euer Team und wie groß ist es?
Wir sind wir zwei Gründer, vier Vollzeit Angestellte (zwei davon für operativen Betrieb der Standorte), eine Vertrieblerin, eine gute Seele, die sich um die Finanzbuchhaltung kümmert. Das Team wird unterstützt von sieben Werkstudent:innen. Das passt für beide Seiten gut. Es ist ein schöner, abwechslungsreicher Job für die Werkstudent:innen, die von den Gebietsleiter:innen koordiniert werden.
Arbeitskultur, die wir selber leben wollen
Die Coworker:innen im Work Inn machen viel selber. Als Betreiber:in muss ab und zu nachgeschärft werden, dies funktioniert aber ganz gut. Damit das gut funktioniert achten die beiden bei der Aufnahme bereits darauf. Alle die im Work Inn arbeiten, müssen bereit sein Community mit zu leben.
Die Arbeitskultur ist Dörte und Tim ebenfalls wichtig. Tim war vorher im Bankwesen, Dörte Lehrerein. Sie wollten Arbeitsstrukturen schaffen, vor denen sie selber nicht wieder fliehen wollen würden. Sie versuchen viel über Selbstorganisation zu arbeiten. Das Kernteam hat alle 8 Wochen ein Navigationsmeeting auf dem offen über alles gesprochen wird. Außerdem arbeiten sie mit einer OpenBook Politik. Das erleichtert die Diskussion über Budgets weil alles transparent ist. In den anderen Monaten haben Dörte und Tim mit den Vollzeitkräften 2:1 Gespräch mit einem halben Tag. So kommen im geschützten Raum alle Themen auf den Tisch. Die Motivation ist in den letzten zwei Jahren hoch geblieben, obwohl es zwei sehr anstrengende Jahre waren. Auch hier merken sie, dass sie sich im Team weniger als sonst ohnehin schon sehen. Da geht viel zwischenmenschliches verloren. Insgesamt hat das Team das über die Zeit gut hinbekommen und sie sind zuversichtlich, dass es gemeinsam gut weitergehen wird mit dem Work Inn.