Anfang Dezember 2020 startete die CoworkingMap des GCF-Mitglied Thomas Wick. Mit dieser Karte möchte er und seine beiden Kollegen die Vielfältigkeit von Orten in Deutschland, an denen Menschen gemeinsam arbeiten, darstellen. Inzwischen hat die Karte mehr als 1.500 Einträge, fast die Hälfte davon sind Coworking Spaces. Damit hat Thomas Wick auch dafür gesorgt, dass es endlich belastbare Zahlen zur Größe der deutschen Coworking-Space-Szene gibt. Grund genug, ihn zu seinem Projekt, seiner Motivation dazu und was er dadurch gelernt hat, zu unterhalten.


Eine Karte ist ein interessantes Medium, um Informationen darzustellen. Hat dir die »Coworking Map« geholfen, die Coworking-Szene anders wahrzunehmen?

Eine Karte der Coworking Spaces für Deutschland zu erstellen, ist so ein bisschen wie in einem Flugzeug sitzen und überall kleine und größere leuchtende Punkte zu sehen – Zukunftsorte, die die Werte des Coworking leben – vor allem viel Gemeinsamkeit und Austausch.

Bei den Überlegungen zur CoworkingMap, bei der Umsetzung und Realisierung bin ich natürlich mit sehr vielen tollen Leuten aus der Coworking-Szene in Kontakt gekommen. Ich habe gesehen, wie vielfältig dieser Bereich und wie unterschiedlich die Angebote sind. Besonders konnte ich dies erkennen, da es für die Registrierung erforderlich war, auf jede Website, auf jeden Facebook-Account und auf jeden Instagram-Account kurz zu schauen. Eigentlich müsste man einen Bildband von den unterschiedlichen Locations machen.

Zielführend war auf jeden Fall, selbst schon rund zwei Jahre aktiv ein Coworking Space – das »cobaas« in Preetz – zu betreiben, an verschiedenen Veranstaltungen der »German Coworking Federation« und von »CoWorkLand« teilgenommen zu haben. Eine Coworking-Karte aus einem Coworking Space heraus zu entwickeln, ist ein enormer Vorteil.

Wie seid ihr beim Sammeln der Daten vorgegangen? Welche Herausforderungen ergaben sich und wie habt ihr diese als Gründerteam entschieden?

Wichtig hierbei ist zu wissen, dass es ja einen Vorläufer in den neuen Bundesländern gab. Du selbst hast gemeinsam mit Christer Lorenz eine Karte mit Coworking Spaces entwickelt und damit auch den Grundstein für die jetzige CoworkingMap gelegt.

Dein Angebot, Tobias, diese Grundlage nutzen zu dürfen, um darauf dann die CoworkingMap weiter entwickeln zu können, war natürlich unglaublich hilfreich. Christer war ebenfalls bereit als Geograf die weiteren Arbeiten zu unterstützen, und mit Gerwin haben wir einen Webdesigner, der ebenfalls sehr intrinsisch veranlagt ist. Uns allen ist gemein, dass wir sehr schnell agieren und die erforderlichen Arbeitsschritte zeitnah umsetzen.

Zum Sammeln der Daten haben wir uns, glücklicherweise, im Vorfeld die richtigen Gedanken gemacht: Fragen wir Verbände, Anbieter und Organisationen nach Daten der Spaces oder sammeln wir selbst? Stellen wir die gesamten Daten online als OpenData zur Verfügung oder nicht? Wie gehen wir mit Anfragen für wissenschaftliche Arbeiten um?

Wir haben uns für den langen Weg entschieden. Wir haben über viele, viele Arbeitstage das Internet immer und immer wieder durchsucht, um Coworking Spaces zu finden. Dabei findest Du unterschiedliche Listen und Einträge, wobei immer wieder auffällt, dass sehr viele nicht gepflegt und inaktuell sind. Manchmal landest Du bei Einträgen von Spaces auf Maklerseiten, Immobilienanbietern oder noch kurioseren Seiten.

Letztlich sind wir am 1. Dezember 2020 mit über 500 Coworking Spaces gestartet. Unser Ehrgeiz war, mehr Einträge als Google zu haben.

Die Technik, die Coworking Spaces aufzunehmen, war und ist, die Webseiten der Spaces auszuwerten und die erforderlichen Informationen in unsere Datenbank zu übernehmen. Ist so ähnlich, wie früher ein Telefonbuch abzuschreiben. Für die verschiedenen Anbieter:innen hat es den Vorteil, dass sie keinerlei Aufwand haben. Sie müssen auch kein Redaktionssystem pflegen. Wir verlinken auf die jeweilige Website – da sind ja alle Infos.

Inzwischen hat die CoworkigMap einen Sogeffekt erreicht. Die Info, dass es diese Informationsquelle gibt, läuft rum, und weitere Coworking Spaces melden sich bei uns, mit der Bitte mit in die Map aufgenommen zu werden. Das machen wir dann selbstverständlich gern.

Ich würde mich freuen, wenn sich nach diesem Interview wieder Coworking Spaces melden. Wobei die Frage ist, wie viele gibt es noch außerhalb der CoworkingMap.

Die »Coworking Map« zeigt mehr als nur Coworking Spaces an. Welche anderen Orte finden sich in ihr? Und wie viele Coworking Spaces gibt es hierzulande?

In unseren Überlegungen haben wir uns bei der CoworkingMap für einen breiteren Ansatz zum Thema entschieden. Ein Aspekt war, wo kann ich überall mobil Arbeiten? Wo lebt Offenheit und  Kollaboration?

Im Vorweg habe ich mit zwei Freunden aus Berlin ein Business-Canvas-Modell für die CoworkingMap erarbeitet. Hier haben wir bereits die Option eines Filters für verschiedenartige Angebote vorgesehen. Da das für Christer bei der Umsetzung der Map kein Problem war, haben wir uns entschieden, Bürogemeinschaften, Coworking Spaces, Workation-Angebote, Maker Spaces und Innovations-Technik- und Gründerzentren zu recherchieren und aufzunehmen.

Ja – es ist richtig, das Angebot ist entsprechend vielfältig, aber durch die Filterfunktion kann sich die/der Nutzer:in der CoworkingMap das Gewünschte heraussuchen und finden. Übrigens: „Suchen und Finden“ war u.a. ein Motto für die Idee der CoworkingMap.

Besonders interessant waren dann bei der Umsetzung zwei Erfahrungen: Zum einen gab es bislang keine gemeinsame Informationsplattform für Coworking Spaces und Maker Spaces. In der Realität gibt es jedoch viele Spaces, die bereits beides anbieten oder sich in die eine oder andere Richtung weiterentwickeln wollen.

Ein weiterer interessanter Kontakt fand mit Thomas Schmidt, Gesellschaft für Technologieförderung Itzehoe mbH im IZET Innovationszentrum Itzehoe statt. Ausgangspunkt war die Diskussion, über die Plattform der CoworkingMap auch StartUps die Möglichkeit zu geben, sich hier bundesweit zu präsentieren. Diesen Ansatz haben wir aber, da das Interesse sehr gering war, nicht weiterverfolgt.

Jedoch hat der Weg über ihn zum Bundesverband Deutscher Innovations-, Technologie- und Gründerzentren e.V. (BVIZ) in Berlin geführt. Interessante Gespräche mit der dortigen Geschäftsführung gaben dann den Ausschlag, in die CoworkingMap auch alle Innovations-, Technologie- und Gründerzentren des Verbands sowie auch die nicht organisierten aufzunehmen. Inzwischen weiß ich, dass viele dieser Zentren parallel auch Coworking Spaces betreiben oder in naher Zukunft einrichten wollen. Sie sehen hier die Möglichkeit, Coworker:innen, die sich mit dem Gedanken einer Betriebsgründung tragen, schon an das Gründerzentrum zu binden.

Einige kritische Rückmeldungen gab es zum Nachweis der Bürogemeinschaften wie u.a. Regus oder WeWork. Ja – es ist ein anderes Geschäftsmodell, aber auch hier ist jederzeit mobile Arbeit und auch ein selbst organisiertes, teilweise auch unterstütztes Coworking möglich. Wir werden mal sehen, ob sich ein in die Szene diskutiertes Label für das ›gute Coworking‹ durchsetzt und wer dann wen und wie zertifiziert. Aus unserer Ferienwohnungsvermietung wissen wir, wie problematisch der Umgang mit Sternen des Tourismusverbands ist. Ich bin gespannt. Wenn es Label gibt, können wir diese in der CoworkingMap auch abbilden.

In der CoworkingMap sind insgesamt jetzt knapp 1.500 Einträge. Recherchiert man nur die Coworking Spaces in Deutschland ergeben sich 700 Standorte. Aus der Arbeit der German Coworking Federation und der CoworkLand-Genossenschaft weiß ich, dass momentan an vielen Orten – insbesondere auch im ländlichen Bereich Menschen jeden Alters und Hintergrund überlegen, ebenfalls ein Coworking Space zu gründen.  

Da man mit einem Coworking Space – insbesondere im ländlichen Raum – nicht reich wird, ist es von Vorteil, dass die regionale Politik an vielen Orten die positive Wirkung eines Coworking Spaces erkannt hat und oftmals auch unterstützt und fördert.

Aus meinem „kommunalen Arbeitsleben“ erinnere ich mich an einen Slogan von Bernd Adamaschek von der Bertelsmann Stiftung. Hier ging es um neue Führungsmodelle und Benchmarking in der Kommunalverwaltung. Er hatte das Ziel, das „1.000 Blumen blühen“, dass also viele Kommunen an diesem Projekt teilnehmen. Vielleicht können wir bald 1.000 Coworking Spaces vermelden und damit viele kleine und große Keimzellen für New Work, dezentrale Arbeitsmöglichkeiten, Offenheit und Kollaboration.

Screenshot der CoworkingMap
Welche Vorteile kann es für Betreiber:innen haben, den eigenen Coworking Space bei euch auf der Karte zu haben? Wisst ihr bereits, wie die Karte genutzt wird?

Wie schon ausgeführt, ist eines der Ziele: Suchen und Finden. Wir haben das Projekt aus Nutzer:innensicht heraus entwickelt. Ich weiß noch, wie ich mich bei der ersten Video-Konferenz mit Coworking Spaces zur Idee gewundert habe, wie sehr einige Betreiber:innen in ihrer eigenen Wolke gefangen sind. „Wir sind doch da – Unsere Nutzer:innen kennen uns – Wir haben doch unsere Website – usw.“ Eine Sicht von außen auf die Coworking Wolke aus Nutzer:innensicht war nicht so schnell präsent.

Wir sind davon ausgegangen, dass mobile Coworker:innen, Geschäftsreisende, Außendienstmitarbeiter:innen nicht nur Spaces in Großstädten suchen, sondern Reiseziele haben und dort dann die Region nach Arbeits- oder Workation-Angeboten abscannen möchten. Also Du fährst nach Schleswig-Holstein oder musst hier arbeiten und suchst in einer bestimmten Region. Das ist bei den derzeitigen Internetsuchen schon ein wenig schwierig (nicht vollständig, nicht immer aktuell, für eine Region u.U. verschiedene Plattform-Anbieter). Das hat nichts mehr mit „Suchen und Finden“ zu tun – das ist Aufwand. Bei der CoworkingMap schaust Du Dir Deine Zielregion an, ziehst sie im Browser oder auf Deinem Smartphone groß und siehst, an welchen Orten entsprechende Angebote vorhanden sind. Wichtig dabei: die Suchenden müssen sich nirgends registrieren, Du kannst über die Links direkt mit dem gewünschten Coworking Space per E-Mail in Verbindung treten oder erst einmal die Links zur Website, zu Facebook oder Instagram nutzen, um weitere Infos zu erhalten.

Zurzeit haben wir durchschnittlich 200 bis 300 Aufrufe der CoworkingMap pro Woche. Das ist noch kein „Traumergebnis“. Wir arbeiten daran. Einen Peak gibt es immer Anfang der Woche, wenn sich ein neues „Space der Woche“ vorstellt. Wir bieten allen Coworking Spaces die Möglichkeit, eine ausführliche Info mit Bildern auf der CoworkingMap zu platzieren. Dieses Fenster ploppt immer montags mit neuen Inhalten auf und ist natürlich – wie der eigentliche Eintrag auf der CoworkingMap auch – kostenfrei.

Ab Anfang Februar haben wir einen Blog in die Website eingebunden, um auch auf diesem Wege – neben dem Facebook-Account – weitere Infos anzubieten und damit natürlich auch am Ranking zu arbeiten.

Mir ist aufgefallen, dass ihr euch auch die EU-Domain für die »Coworking Map« gesichert habt. Wie sehen eure weiteren Pläne mit dem Projekt aus?

Das war die Idee von Gerwin, sich diese Domain auch gleich zu sichern. Also mal sehen – vielleicht geht da noch etwas. Wobei wir haben schon ein wenig vorgegriffen. Durch die vielen tollen Kontakte aus der Coworking-Space-Szene sind auch Coworking Spaces in Dänemark, der Schweiz, Österreich und Italien aufgenommen. Und! – nicht zu vergessen, das Coworking Space von Doris auf Mallorca – also Spanien ist auch  schon dabei. Neulich hatte wir in einem Call einen Kontakt mit einem Kollegen, der mit grenznahen, polnischen Coworking Spaces zusammenarbeitet. Hier wird also auch noch etwas kommen. Hier ist es auch eine Frage des Aufwands. Wir wollen nicht zu viele Baustellen zeitgleich aufmachen. Dann leidet u.U. die Qualität. Wir wollen ja auch aktuell bleiben. Im Sommer werden wir alle Einträge anschreiben und prüfen, ob es diese Angebote noch gibt.

Wir hoffen, dass die Zugriffe zur CoworkingMap auch steigen werden, wenn wir alle wieder durch die Gegend reisen können. Dafür bietet die CoworkingMap natürlich eine optimale Grundlage.

Eine neue Idee wird wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Interviews schon umgesetzt und gestartet sein. „5 Tage – 5 Spaces“. Und da es im Moment noch keine Reisemöglichkeiten gibt, machen wir das Ganze virtuell. Gemeinsam mit Doris von »Rayaworx Coworking« und ihrer »Rayaworx Academy« werden wir dieses Projekt durchführen. Hier können sich fünf bis zehn Coworker:innen anmelden und lernen virtuell von Montag bis Freitag jeweils ein anderes Coworking Space kennen. Es gibt ein aktuelles Video aus dem Space, einen gemeinsamen Morgenaustausch und dann macht jeder seins. Am Nachmittag findet nochmals eine Runde statt, in dem berichtet wird, was erreicht wurde, wo es ggf. Unterstützungsbedarf gibt und mit wem vielleicht ein intensiverer Austausch und Kontakt gewünscht ist. Im Moment werden noch letzte Einzelheiten zur Plattform und zum Ablauf geklärt – dann geht es los. Interessierte können sich schon melden.

Im Sommer werden wir versuchen, das Ganze in die reale Welt umzusetzen. Geplant ist eine Art Package-Tour. Die Gruppe fährt mit Fahrrädern oder Zug täglich zu einem neuen Space. Gepäck, Laptops usw. werden parallel von der oder dem Guide transportiert. Coworking Spaces, Reiseroute, Transport und Unterbringung ist alles organisiert – die Teilnehmer*innen sollen Spaß und Zeiten zum Arbeiten haben. Auch hier kann ich mir dann eine Stippvisite zu grenznahen Coworking Space in unseren Nachbarländern vorstellen.

Mal sehen, was sich noch alles entwickelt.

Vielen Dank für das Interview.