Mitte Mai hat GCF-Mitglied Tobias Kremkau eine Liste auf Notion mit allen ihm bekannten Coworking Spaces in Ostdeutschland erstellt und diese auf Twitter geteilt. Die Gründe dafür hat er in einem Artikel auf Netzpiloten.de erklärt. Zu Beginn hatte die Liste 65 Einträge, inzwischen sind 79 ostdeutsche Coworking Spaces gelistet. Ein paar Tage nach Veröffentlichung der Liste schrieb ihn der Geograph Christer Lorenz auf Twitter direkt an. Ihm gefiel die Liste, aber er merkte an, dass man auch zeigen muss, wo sich diese Coworking Spaces befinden. Er hatte Recht, wie Tobias in diesem Moment klar wurde. Deshalb baute Christer eine Coworking-Karte von Ostdeutschland. Im Interview mit Tobias, erklärt Christer seine Beweggründe dafür und was ihn an Coworking interessiert.


Tobias: Warum hast du aus meiner Liste eine Karte gemacht?

Christer: Im Mai dieses Jahrs war ich mal wieder in meinem Dorf, Wartenburg (Elbe) in Sachsen-Anhalt, wo ich ursprünglich herkomme und bin an der alten Schule verbeigelaufen. Seit der Schließung 2003 steht das Gebäude leer und verfällt. Wald und Natur erobern das Gelände zurück. Eine Erfahrung, die viele Ostdeutsche meiner Generation teilen, die vom Land in die Stadt gegangen sind. Wie so oft fragte ich mich – welche neuen Ideen könnten dazu beitragen, Orte wie diese wieder zum Leben zu erwecken?

Als ich auf Twitter deine Liste zu den Coworking Spaces gesehen habe, war mir sofort klar, da fehlt eine Karte. Das Thema Coworking sollte man stärker in das öffentliche Bewusstsein bringen, weil es eine Chance für Regionen außerhalb der großen Städte ist. Und dazu muss man eben wissen, wo überhaupt heute schon Coworking möglich ist.

Tobias: Hattest du schon einmal Kontakt mit dem Thema Coworking?

Christer: Ja, über die Initiative „Smart Country Brandenburg“ im Rahmen meiner Arbeit, wo ich Anfang 2019 unter anderem einen Vortrag von dir zum Thema Coworking und dem Coworking Space „BLOK O“ in Frankfurt (Oder) gehört habe. Das Thema fand ich darüber hinaus schon länger spannend.

Tobias: Mit welchen Programmen hast du diese Karte gebaut?

Christer: Es gibt heute Geo-Plattformen, mit denen man, mit einfachen Mitteln, digitale Karten-Apps bauen kann. Programmieren null, einfach loslegen. Es macht Spaß, Daten in ihrem geographischen Kontext zu visualisieren und überraschende Einblicke zu erhalten, wie in der Coworking-Karte. Für die Karte habe ich die Geo-Plattform ArcGIS Online verwendet.

Tobias: Was braucht man, um so eine Karte selber zu bauen?

Christer: Zwei Dinge werden benötigt – ein webbasiertes Geoinformationssystem (WebGIS) und natürlich Daten. Man braucht relativ viele Tools, u.a. für Geodaten-Speicherung, Bearbeitung, Diensterzeugung und Kartenvisualisierung. Die gibt es alle einzeln im Web. Demgegenüber bündeln Geo-Plattformen die notwendigen Werkzeuge und es wird damit viel einfacher, digitale Karten-Apps zu bauen.

Neben dem WebGIS sind natürlich die Daten entscheidend. Aus Daten müssen Geodaten erzeugt werden, das heißt, ein Geo-Bezug muss hergestellt werden. Konkret auf deine Liste der Coworking Spaces bezogen – ich habe aus den einzelnen Adressen geographische Koordinaten erzeugt und deine Daten mit „Geo“ ergänzt. Dann stand dem Mapping nichts mehr im Wege.

Die ehemalige Schule in Wartenburg (Elbe) – seit 2003 geschlossen. (Foto: Christer Lorenz)
Die ehemalige Schule in Wartenburg (Elbe) – seit 2003 geschlossen. (Foto: Christer Lorenz)
Tobias: Warum war es dir wichtig, dass die Daten offen sind?

Christer: Offene Geodaten helfen räumliche Strukturen besser zu verstehen. Die Daten zu den Coworking Spaces werden unter einer Open-Data-Lizenz zur Verfügung gestellt und können von jedem frei weiterverarbeitet und genutzt werden und sind in den üblichen offenen Datenformaten downloadbar.

Tobias: Du arbeitest für Esri. Was ist deine Aufgabe im Unternehmen?

Christer: Kern meiner Arbeit bei Esri ist es, kommunale Verwaltungen bei der digitalen Transformation und digitalen Verwaltungsprozessen mit dem Einsatz von Geoinformationssystemen (GIS) zu beraten und zu unterstützen. Schwerpunkt sind die ostdeutschen Städte und Kommunen. Darüber hinaus bin ich im Bereich Smart City/Country sehr aktiv.

Tobias: Gibt es noch andere Karte von dir, die du gebaut hast?

Christer: Da gibt es eine Reihe von Karten. Über Twitter ist eine Auswahl veröffentlicht. Ich dokumentiere beispielsweise den Baufortschritt der Tesla-Fabrik in Brandenburg anhand von Satellitenbildern. Die wenigsten wissen, dass es neben den üblichen Google-Luftbildern, frei verfügbare Satellitendaten gibt, die alle paar Tage aktualisiert werden.

In Planung ist auch eine Karte für das Gebiet des Landes Brandenburg zur Erreichbarkeit mit der Bahn. Hier nehme ich das aktuelle Thema zu Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken aus den 1990er Jahren auf. Auch hier lässt sich wieder ein Bezug zu Coworking Orten im ländlichen Raum um die Metropole Berlin herstellen.

Tobias: Wie siehst du die zukünftige Rolle von Coworking?

Christer: Coworking Spaces nur als neue Arbeitsorte einzeln für sich zu betrachten, greift zu kurz aus meiner Sicht. Aus einer geographischen Perspektive schaffen Coworking Spaces Verbindungen vor Ort und in die umliegende Region und zweitens sind sie oft mit den Städten bzw. Metropolräumen verbunden. Es kommt zum Austausch und zur Vernetzung (u.a. Pendler- und Wissensmobilität, Ideentransfer, Community-Building).

Es ist die geographische Vernetzung in verschiedenen Bereichen, die Coworking Spaces im strukturschwachen Raum zu Standortfaktoren mit Impulsen für eine digitalgeprägte wirtschaftliche Dynamik machen können. Ich sehe daher Coworking Spaces als ein Handlungsfeld der digitalen Transformation ländlicher Räume, welches in der Strukturpolitik der Bundesländer und der Kommunalpolitik Beachtung finden sollte. Unsere Karte der Coworking-Orte und die offenen Daten dazu sollen einen Beitrag leisten.

Tobias: Wie kann die Coworking-Karte aktuell gehalten werden?

Christer: Das ist ganz einfach. Es gibt ein Formular mit Karte, wo neue Coworking Spaces eingetragen werden können. Wir prüfen dann die Daten redaktionell und die Karte wird automatisch durch weitere Mitwirkende aktualisiert.

Tobias: Vielen Dank für das Gespräch.