Welche Standortfaktoren sind bei Coworking Spaces im ländlichen Raum wichtig? Und wie geht es den Coworking Spaces im ländlichen Raum nach der Corona-Pandemie? Diesen Fragen sind wir im GCF-Netzwerktreffen im Februar nachgegangen.
Zur Beantwortung der Fragen haben wir uns zwei spannende Gäste eingeladen. Marco Hölzel von der Technischen Universität München hat uns Ergebnisse seiner Forschung zur Verteilung von Coworking Spaces in ländlichen Regionen sowie deren räumliche Beziehung zu “POI – Point of Interest” vorgestellt. Und Tobias Kremkau von der CoWorkLand Genossenschaft hat uns einen Einblick in die Praxis gegeben und Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit mit ländlichen Coworking Spaces geteilt.
Die Gäste des Februar-Netzwerktreffens Marco Hölzel und Tobias Kremkau mit der Moderatorin Alexandra Bernhardt
Standortfaktoren für Coworking Spaces im ländlichen Raum
Was sind Points of Interest (POIs) und warum sind diese wichtig? POIs sind Angebote in der Umgebung, wie Restaurants, Cafés, Arztpraxen, Schulen, Kindergärten oder Bibliotheken – wenn diese in der Nähe sind, macht es den Standort attraktiver, dies gilt auch für den ländlichen Raum. Zudem sind Points of Transport, wie Bahnhöfe oder Bushaltestellen im Kontext von Coworking Spaces sehr wichtig, damit diese gut erreichbar sind. Marco Hölzels Analyse zeigt, dass die wichtigsten POIs im ländlichen Kontext (aber auch ebenso wichtig für den urbanen Raum) Essensangebote, wie Restaurants, Cafés, Bäckereien oder Fast-Food-Angebote sind, sowie Banken, Arztpraxen und Bushaltestellen in der Nähe. Diese Angebote sind im ländlichen Raum vor allem in der Ortsmitte vorhanden, weshalb es dort besonders sinnvoll ist, einen Coworking Spaces anzusiedeln. Dies kommt auch der lokalen Wirtschaft zugute, da die Coworker*innen in der Umgebung konsumieren.
Außerdem interessant: Marco hat die über 700 Coworking Spaces der Coworking Map kategorisiert, ob sie in der Stadt oder im peripheren bzw. ländlichen Raum zu verorten sind: Demnach befinden sich bereits 21% der deutschen Coworking Spaces im nichturbanen Raum.
Weiterführender Link zu Marcos Forschung: Artikel Digitization as a Driver fur Rural Development—An Indicative Description of German Coworking Space Users
Doch wie geht es den Coworking Spaces im ländlichen Raum aktuell?
Marco verwies auch auf die Publikation des EU-Projekts COST Action CA18214 “The geography of new working spaces and the impact on the periphery”, der Sammelband European Narratives on Remote Working and Coworking During the COVID-19 Pandemic. Dieser enthält wissenschaftliche Beiträge zur Situation von Coworking Spaces in verschiedenen europäischen Ländern während der Pandemie. Demnach kam es zu mehr Remote-Arbeit, der vermehrten Rückkehr in Herkunftsregionen oder die zunehmende Arbeit am Zweitwohnsitz. Diese Entwicklungen können die Nachfrage nach Coworking Spaces im ländlichen Raum auch auf längere Sicht erhöhen.
Tobias Kremkaus Einschätzung ist insgesamt positiv, was die Entwicklung von ländlichen Coworking Spaces in Deutschland angeht. So sieht auch er den gestiegenen Bedarf an Coworking Spaces im ländlichen Raum, bspw. durch Arbeitnehmer*innen, die dort wohnen und nicht mehr so oft zum Betriebssitz in die Stadt pendeln oder durch Städter*innen, die aufs Land ziehen.
Dieser gestiegene Bedarf zeigt sich auch an der in der Pandemie stark gewachsenen Mitgliederzahl bei der CoworkLand Genossenschaft, und auch die Anzahl der gegründeten und bei CoworkLand organisierten Coworking Spaces hat sich vervielfacht. Das Thema mobiles Arbeiten ist durch die Corona-Pandemie in den Mainstream vorgedrungen und hat auch dazu geführt, dass sich immer mehr Unternehmen und auch Kommunen mit diesen Themen aus verschiedenen Gründen befassen und bspw. bei CoworkLand bundesweit Projekte oder Studien beauftragen.
Und schließlich ist Coworking auch für die Politik kein Fremdwort mehr, vielmehr unterstützt sie Coworking explizit. So hält Tobias fest, dass in den letzten Jahren als Reaktion auf die Corona-Pandemie viele Förderprogramme entstanden sind, die indirekt (Bekämpfung von Leerstand, Wiederbelebung der Innenstädte, etc.) oder auch direkt (Gründungen von Coworking Spaces, Schaffung von dezentralen Coworking-Netzwerken, etc.) Coworking fördern.
Auch das Stimmungsbild der Teilnehmenden am Anfang des GCF-Netzwerktreffens war insgesamt positiv, was die Entwicklung von Coworking seit der Corona-Pandemie angeht. Zusammenfassend haben wir beim Februar-Netzwerktreffen gelernt: Um als ländlicher Coworking Space erfolgreich zu sein,
- sollte dieser in der Ortsmitte angesiedelt werden (am besten in einem Leerstand), sodass der Zugang zu diversen POIs gegeben ist,
- sollten bei der Aufgleisung und Gründung des Coworking Space die Personen vor Ort und ihre Bedürfnisse einbezogen werden (indem man viel mit ihnen redet) und
- das Angebot sollte auf diese Bedürfnisse eingehen, was dann zumeist über einen Coworking Space, wie man ihn aus dem urbanen Kontext kennt, hinausgeht (z.B. als Vereins- oder Senior*innentreff, oder wenn es zu wenig POIs in der Umgebung gibt, mit Café oder Laden etc.).