Bis heute lief das Coworking Festival in Mecklenburg-Vorpommern. Und Philipp Achterberg und Lukas Schröder von Cowork Nord sind dort gewesen. Dina sprach mit Philipp am Freitag Abend auf ihrer Fahrt von Stralsund zum project bay auf Rügen.

Der Start ins Festival

Dina: Philipp, ein bisschen was habe ich ja schon auf euren Social Media Accounts gesehen, aber erzähle mal wie ihr auf Tour seid?

Philipp: Ausgestattet mit einem voll beladenen Bulli haben wir uns in die eisigen Nächte gewagt, um die gesamte Coworking-Festival-Woche mitzunehmen. Insofern war es für uns eine echte Festival-Tour, als wir mit Campingkocher morgens unseren Kaffee machten und jede Nacht woanders schliefen. Häufig sind wir wie es sich für einen echten Festivalgänger gehört, ungeduscht und wild frisiert zu unserem nächsten „Headliner“ gefahren.

Lukas Schröder bei der Eröffnung des Festivals. Philipp fühlt sich als Fotograf hinter der Kamera am wohlsten. Foto: Philipp Achterberg

Dina: Das klingt nach echtem Festival Feeling. Was hat euch bewogen loszufahren? Ihr kennt ja das Thema Coworking bestens und Du bist zu dem Thema ja in ganz Deutschland unterwegs.

Philipp: Ziemliche vieles. Ich beschäftige mich schon recht lange mit Coworking in verschiedenen Formaten und an verschiedenen Standorten, so auch auf dem Land als auch in der Stadt. Es hat uns allerdings auch gereizt zu sehen, wie ein Festival in dieser Branche ausgestaltet sein kann. Das Ganze wollten wir unbedingt visuell festhalten! Und da wir uns bei Cowork Nord in letzter Zeit Gedanken darüber gemacht haben, wie unterschiedlich unsere Klientel so ist, haben wir uns für drei verschiedene Aufnahmegeräte entschieden. So bekommen wir den Look von alten Famlien-Urlaubsfilmen, klassischen Fotografien und eine Social Media Story, die eine echte Story ist, weil sie eine ganze Woche am Stück lief. Hinzu kam die Lust und der Spaß an der Vernetzung und die Idee Interviews mit Coworking-Kolleg:innen aufzuzeichnen. Mit diesem Gesamtpaket ging es los auf Festival-Tour. Da Lukas super fotogen ist und gut moderiert und ich ein ästetisches Gespür hinter der Kamera beweise, waren unsere Rollen von Anfang an klar. So sind wir voller Begeisterung losgefahren um Neues zu entdecken.

Entdeckungen

Dina: Was habt ihr denn auf der Tour bis jetzt entdeckt?

Philipp: Vom zentral gelegenen bis weit im Lande zerstreute Spaces, die facettenreicher nicht sein könnten. Am meisten haben uns bisher tatsächlich die ländlichen Locations interessiert, da sie doch am ehesten von unserem Konzept abweichen. Den Spirit kennt man aus der Stadt heraus einfach nicht unbedingt

Als hypermoderne Dörfer haben sie sich unter anderem bezeichnet und für uns auch teils bereits herausgestellt: Ladestationen für E-Mobilität, flächendecker 4- bis 5G-Empfang und Glasfasernetze.

Die Vernetzung geht hier mit und eröffnet so die Möglichkeiten für ein modernes und schnelles Arbeiten sowie Leben. Oder eben im Gegenteil ein entschleunigtes Leben, weil man hier in den Weiten einfach mal abschalten kann. Du kommst aus der Enge des Alltags raus in die Weite der Welt, um vielleicht Deiner Kreativität freien Lauf zu lassen oder neue Strukturen für dich zu schaffen oder endlich wichtige Entscheidungen zu treffen oder sich wirklich mal zu erlauben ganz einfach mal nichts zu tun. Es ist wirklich großartig.

Im Gespräch mit Kamila Sösemann von Gut Pohnstorf. Foto: Philipp Achterberg

Wir sind absolut überwältigt von den herzlichen Menschen, die hier ihre Spaces betreiben. Die wissen, dass es beim Coworking nicht alleine darum geht Geld zu verdienen. Sie nutzen Coworking als eine Einstellung um ihrer Gastfreundschaft Ausdruck zu verleihen. Sie sind offen für Leute, die etwas schaffen wollen und unterstützen das mit diesem besonderen Geist.

Festival Überraschungen

Dina: Und gab es auch schon eine Überraschung beim Festival?

Philipp: Ja, tatsächlich hat sich für mich eine Frage aufgetan auf die ich noch gar keine richtige Antwort gefunden habe. Ich habe ja meine Kindheit in der ehemaligen DDR verbracht und meine Jugend dann im Westen von Deutschland verbracht. Und obwohl wir als Land schon so lange wiedervereint sind, spüre ich während der Tour bei den Menschen etwas, das typisch Ostdeutsch ist. Und ich kann noch gar nicht genau fassen was das ist. Vielleicht eine besondere soziale Einstellung, die mir bisher in keinem anderen Bundesland so begegnet ist. Auf jeden Fall trägt dieser Geist für mich ganz maßgeblich dazu bei, dass hier Coworking und Coliving so gut gedeihen. Vielleicht bin ich auch ein Stück weit nostaligsch. Auf jeden Fall waren die Begegnungen mit den Menschen ganz besonders.

Schaut euch doch in dem Zusammenhang mal die beiden Songs von Marteria und Campino an, die gerade rausgekommen sind. Sie heißen „Scheiß Wessis“ und „Scheiß Ossis“ und sind ein Aufruf für mehr Gemeinsamkeit und Zusammenhalt. Lukas und ich haben da auf der Tour viel drüber gesprochen.

Spaces der besonderen Art

Dina: Was habt ihr bisher für Spaces besucht und gibt es da schon neue Lieblinge?

Philipp: Ich kann eigentlich gar keinen Space als Liebling betiteln. Die beiden Worte, die mir in Bezug auf die Spaces sofort in den Kopf kommen sind Liebe und Kreativität. Wir haben Ketten wie die Orangery, mit unfassbaren finanziellen Mitteln für ihre großzügigen Spaces über halb Deutschland verteilt gesehen. Und so kleine, aber dennoch liebevoll gestaltete Underdogs, wie das Kiezbüro in Neustrelitz. Es waren Gutshäuser dabei und immer Locations, gekoppelt mit touristischen Angeboten.

Besonders präsent ist mir auch gerade noch die Wendorf Academy. Wir sind dort sehr spät aufgekreuzt und dachten erst wir fahren ganz schnell weiter. Und dann sind wir unerwartet länger geblieben. Unser Gastgeber war ein abefahrener, aus Holland stammender, ehemaliger Professor, der mit total ans Herz gewachsen ist. Er hat eine ehemalige DDR-Schule umgebaut, dabei die Klassenzimmer versucht zu erhalten und mit authentischen Vintage Möbeln vom Sperrmüll oder Auflösungen einzurichten. Das Ganze erinnert ein wenig an eine Filmkulisse in einem Wes Anderson Film: Irgendwie skurril, spannend und erschreckend zugleich. Das Highlight ist ein Keller in dem Schriftsteller:innen, Musiker:innen und andere Kreative zusammenkommen und sich zu Filmabenden dort treffen.

Uns ist es von Mal zu Mal schwerer gefallen die Betreiber:innen wieder zu verlassen und es wurde von Abschied zu Abschied später. Losgefahren sind wir mit Arbeit im Kopf und dem Gedanken beruflich zu netzwerken. Getroffen und kennengelernt haben wir Menschen. Natürlich beruflich, aber irgendwie auch sehr privat.

Das Fazit des Festivals

Dina: Und was ziehst Du bis jetzt für ein Fazit eurer Festival Tour?

Philipp: Es ist das erste Festival dieser Art in einem Flächenbundesland. Man sieht was für eine Wucht Coworking mittlerweile hat und wie es sich verbreitet. Und man sieht wie Coworking Land, Menschen und die Wirtschaft verändert.

Ich finde es auch beeindruckend, dass das Festival nicht von einem Projektteam organisiert wurde, sondern von vielen der beteiligten Spaces in einem Co-kreativen Prozess. Ich denke, das macht es aus, dass alles so authentisch ist und der Coworking-Geist so greifbar ist.

Hannes Trettin vom Projekt Bay auf Rügen steht Rede und Antwort. Die Kamera läuft immer mit. Foto: Philipp Achterberg

Was mir auch noch mal klar geworden ist, ist dass die Coworking Spaces in Deutschland wirklich wie eine große Familie sind. Von daher freuen wir uns schon sehr auf unser jährliches Familientreffen, die Cowork2022 in Erfurt.

Wenn ich mir noch etwas wünschen darf, dann wünsche ich mir von jedem Bundesland ein solches Festival!

Dina: Wir wünschen euch noch viel Spaß in den nächsten beiden Tagen, grüß mir Hannes von vom Project Bay ganz herzlich und wir sehen uns dann in Erfurt.

Herzlichen Dank für das nette Interview und die tollen Bilder!